Iran – bis zum kaspischen Meer

Written by Martin on August 20th, 2011. Posted in Allgemein

Martin: In den Medien oft als Land der religiösen Extremisten und Frauenunterdrücker zerrissen, in vielen Reiseblogs als DAS Land der traumhaften Landschaften, jahrtausendealten Geschichte und unvorstellbaren Gastfreundschaft geprießen, fahren wir nun gespannt einem neuen Abenteuer entgegen. Die Nervosität von vor der Grenze verflüchtigt sich schnell, kein Wunder, fahren wir doch von Beginn weg durch eine beeindruckende Landschaftskulisse. Es geht durch ein enges Tal, in der Mitte ein Fluss, links und rechts ragen riesige kahle Berge empor…. und die Temperaturanzeige zeigt 48,6 Grad an.

Am späten Nachmittag erreichen wir Tabriz und checken in der erstbeste Hotel ein. Es ist Ramadan, was soviel heißt, dass von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts gegessen und getrunken werden soll. Geraucht übrigens auch nicht. Im Zimmer kann man zwar machen was man will, aber da Sebastian Nichtraucher ist und ich das als toleranter Raucher natürlich toleriere, katapultiert mich unser erster Hotelaufenthalt zurück in die Schulzeit und ich verstecke mich rauchend  im Hotelklo:-)

Wir schlendern durch die Straßen und zum ersten Mal auf unserer Reise habe ich den Eindruck das wir „woanders“ sind. Der Verkehr ist chaotisch, aber scheint irgendwie zu funktionieren, die Menschen sind wahnsinnig nett, das Essen hervorragend und überall hängen Bilder vom iranischen obersten religiösen Rechtsgelehrten Ali Chamenei. Dass alle Frauen verschleiert herumlaufen trägt natürlich auch zu meinem Eindruck bei.

Am nächsten Tag geht’s zuerst nach Kandovan, einem Dorf mit ähnlichen Felsformationen wie in Kappadokien… nur dass es touristisch noch nicht überrant ist und die Leute noch immer drinnen wohnen. Danach brechen wir Richtung Kaspisches Meer auf. Da wir keine Ahnung haben, wie der Ramadan jetzt wirklich gehandhabt wird, verstecken wir uns bei Ess-, Trink- und Rauchpausen abseits der Strasse hinter Gebüschen oder parkenden LKWs. Dass die Regeln im Endeffekt nicht ganz so streng sind, lernen wir leider erst später 🙂 Die Menschen sind abermals unbeschreiblich freundlich, vorbeifahrende Autos hupen, die Insassen winken uns zu und sobald wir stehen bleiben, ist sofort jemand bei uns, fragt ob wir Hilfe brauchen. Nicht selten bitten sie uns anzuhalten, um gemeinsam ein Foto zu machen. Hier muss man dazusagen, dass im Iran nur Motorräder bis 250ccm erlaubt sind und Eva-Dos und Escargot mit ihren 1000ccm als Exoten die Kontaktaufnahme mit neugierigen Einheimischen natürlich erleichtern 🙂

In Myaneh, einem kleinen Städtchen, halten wir an und Bastl fragt in einem Geschäft, wo es eine Bank gibt, da uns das an der Grenze gewechselte Geld ausgeht. Der Inhaber sperrt doch glatt sein Geschäft zu und geht mit Bastl zu einer Bank, die leider geschlossen hat. Also bietet er uns an, dass er uns Geld wechselt, da wir aber den Wechselkurs nicht wissen, reisst er mit Bastl erneut zu einem Internet Kaffee ab, dessen Benutzung er (!) zahlt und ruft einen Freund an, der mit Bargeld kommt. In der Zwischenzeit warte ich vor dem Geschäft und bin sofort umringt von über 20 Jugendlichen und Erwachsenen, die neugierig Fragen woher wir kommen, wie schnell unsere Maschinen fahren, wieviel sie kosten, etc… und en mass Fotos schiessen. Der Besitzer vom Eisgeschäft neben an kommt auch hinzu und sperrt extra für mich den Laden auf, bietet mir Wasser an und als Bastl die Wechselodysee erfolgreich beendet hat, spendiert er uns noch ein Eis (was allerdings irgendwie wie Gummi schmeckt). Das alles vor Sonnenuntergang wohlgemerkt 🙂

Total hin und weg von der Freundlichkeit der Menschen geht’s bei traumhaften Sonnenuntergang (wie immer) weiter über eine Art gebirgige Wüstenlandschaft und nach endlosen Kurven in totaler Dunkelheit erreichen wir Givi, wo wir bei einem Obsthändler nach einer Unterkunft fragen. Nachdem er uns mitteilt, dass es hier kein Hotel gibt, kommen wir gar nicht dazu zu fragen, wo wir denn eins finden, denn schon ist ein Jugendlicher auf sein Moped aufgesprungen und deutet uns an ihm zu folgen. Unterwegs holt er noch einen Freund ab und bringt uns in rasendem Tempo, bei dem es uns schwer fällt ihm auf seiner 75ccm Maschine zu folgen, in ein 5km entferntes Dorf, wo direkt über einem öffentlichen Thermal Schwimmbad auf einem Hügel unser Hotel steht.

Das Zimmer ist ein wenig heruntergekommen aber nett, hier lernen wir Ali, einen urigen amerikanischen Perser kennen, der uns irgendwie an Ozzy Osborne erinnert. Der bringt uns runter ins Schwimmbad, das gesteckt voll ist von jungen und alten Einheimischen, die sich bei ca. 50 Grad Wassertemperatur Wasserschlachten geben, wie die irren ins Wasser jumpen oder einfach am Beckenrand sitzen und sich entspannen. Jeden österreichischen Badewaschl würde hier der Schlag treffen 🙂 Wir sind sofort umringt von Jugendlichen und unterhalten uns relativ erfolgreich mit Händen und Füßen, da keiner Englisch spricht.

Am nächsten Tag geht’s um 7 in der Früh nochmals ins Schwimmbad, nachdem uns Ali eingeladen hat, ihn zu begleiten. Das Bad wird extra für uns aufgesperrt, es ist vollkommen leer und als uns Ali auffordert rein zu gehen und ich die Zehen ins Wasser halte, frage ich mich, ob der Alte noch ganz dicht ist. Das Wasser hat über 80 Grad und so schnell kann er gar nicht schauen, ist mein großer Zeh schon wieder draussen. Nach unzähligen Aufforderungen nur schnell reinzugehen, sich nicht allzuviel zu bewegen und gleich wieder rauszuhirschen, wage ich mich dann doch hinein… und bin zu seiner Erheiterung unter Schmerzgeschrei auch gleich wieder draussen. Ich gebe mir das ganze zweimal und bewundere Bastl, der sich das Ganze anscheinend in einem Anfall von Masochismus zehnmal gibt. Als Ali dann auch reingeht und mit schmerzvollem Röcheln nach einer Sekunde wieder draussen ist („today it´s really a bit hot“), kann ich mich vor Lachen nicht halten. Nichtsdestotrotz muss ich echt sagen, dass man sich, nachdem die Schmerzen abklingen, echt gut fühlt 🙂

Die Fahrt geht weiter über gebirgige trockene Wüstenlandschaft und bald kommen wir zu einem in Nebel gehüllten Bergkamm, wo es in Serpentinen hinaufgeht. Die Sichtweite beträgt gerade mal 5 Meter und so arbeiten wir uns langsam hinauf und glauben unseren Augen nicht, als wir auf der anderen Seite ankommen. Die Strasse geht durch dichtesten, in einem Nebelmantel verschleierten Wald bergab, bis sich der Nebel lichtet und um uns herum alles grün ist. So einen scharfen Übergang habe ich noch nicht gesehen, auf der einen Seite 40 Grad und kahle, trockene Landschaft, auf der andere Seite dann auf einmal 17 Grad und quasi Urwald. Irre.

So erreichen wir das Kaspische Meer (das übrigens eigentlich ein riesiger Salzsee ist), wo wir uns in Ramsar ein unspäktakuläres Hotel nehmen und uns langsam Sorgen machen, weil anscheinend alle Hotels 50 Dollar kosten. Vom kaspischen Meer sind wir beide enttäuscht, an Schwimmen ist hier aufgrund der Brandung nicht zu denken, auch das Wasser hat eine braune Farbe, die nicht zum plantschen einlädt. Wer auch immer der Costa Brava ihren Namen gegeben hat, hätte vorher mal hierher kommen sollen. Die Stimmung erscheint uns eher drist, also entschliessen wir uns am nächsten Tag gleich wieder abzureisen und nach Teheran aufzubrechen.

Es geht wieder bergauf über eine dicht bewaldete Bergkette, die unzählige Iraner zum Campen nutzen. Zelte aufschlagen kann man hier anscheinend wo man will… den Müll liegenlassen leider auch, wodurch die Schönheit der Umgebung stark beeinträchtigt wird. Schade. Der Nebel nimmt wieder zu und auf der anderen Seite des Bergkammes erwartet uns wieder eine kahle, trockene, hügelige Landschaft. Wir fahren durch ein kleines Bauerndorf in einem weiten Tal, das uriger nicht hätte sein können. Lehmhütten, Hühner und Esel stehen in den engen Schottergässchen herum und Kinder spielen in schattigen Seitengässchen. Hier lernen wir zwei nette Dorfbewohner kennen, die wir nach dem Weg fragen. „One road asphalt, one road no“.. wir beschliessen das „no“ zu wagen, worauf uns die beiden vorfahren und nach ca. 10-minütiger Fahrt bei einem Schotterpistenhang, wo es in Serpentinen steil bergauf geht, stehen bleiben und uns mitteilen, dass wir von hier alleine weiterfahren müssen, da ihre Maschinen die Steigung nicht schaffen.

Es dauert nicht lange und wir fahren in dichtestem Nebel auf der engen schlecht präparierten Schotterpiste, und die Serpentinen scheinen kein Ende zu nehmen. Am Talhang geht’s ungesichert steil bergab und im Nebel wird die Strecke für mich zur echten Herausforderung. Vor allem weil ich gerade mal 5 Meter sehe und innerlich bete, den Strassenverlauf nicht aus den Augen zu verlieren. Endlich oben angekommen erreichen wir eine Asphaltstrasse und entschliessen uns kurzerhand nach links zu fahren, wo es im Nebel wieder bergab geht… und uns direkt zurück zum Kaspischen Meer führt. Teheran können wir für diesen Tag einmal vergessen, also gehts zurück zur Küstenstrasse, wo wir uns ein wenig frustriert auf die Suche nach einer Unterkunft machen.. und in Nur zum ersten Mal von der Polizei aufgehalten werden. Die sind sehr nett und nach einer Stunde erfolgloser Suche nach einem Kollegen, der unsere Papiere versteht, lassen sie uns gehen… zum Abschied schaut mir noch einer der Polizisten tief in die Augen und sagt „you have beautiful face“. Verwirrt fahren wir weiter.

In Mahmud Abbad finden wir ein super familiär geführtes Motel direkt am Meer (Parastoo Motel). Das Meer ist hier sauber und praktisch vor der Tür, nur leider kann man derzeit aufgrund der starken Brandung nicht hinein. Wir freunden uns schnell mit Omid und seinen 2 Brüdern Amir und Iraj an und beschließen noch eine Nacht zu bleiben. Mit Omids Hilfe schaffen wir es eine iranische SIM Karte zu ergattern. Unterschrieben wird der Vertrag übrigens mit Fingerabdruck 🙂 Amir zeigt uns am Strand ihren Jetski-Verleih, die wir aufgrund der Brandung leider nicht ausprobieren können.

Dem Ramadan zum trotz genehmigen wir uns in einer Strandbar ein iranisches Bierchen (sprich Malzgetränk mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen) und wundern uns über zwei 50 Meter getrennte, ins Meer führende Vorhangeinrichtungen. Jeweils mit einem Abstand von ca. 10 Metern, können hier Frauen und Männer unbeschwert baden, ohne vom anderen Geschlecht durch Blickkontakt gestört zu werden. Einen Badewaschl gibt’s übrigens nur für diese Abschnitte, wen jemand ausserhalb davon ins Meer geht, geht das auf eigenes Risiko.

Am Abend laden uns Amir und Iraj zum Abendessen in die Wohnung von einem Freund von ihnen ein und wir verbringen einen super feucht-fröhlichen Abend. Wir lernen dass das „Leben“ im Iran in den eigenen vier Wänden stattfindet, hier wird laut Musik gehört, gemeinsame Abendessen und Parties gefeiert und Frauen müssen sich hier nicht hinter einem Schleier verstecken. Überrascht sind wir von deren Fingerschnipptechnik, bei der wir uns – trotz mehrmaligem Vorzeigen – beide fast die Finger brechen.

Am nächsten Tag geht’s über eine stark frequentierte, aber durch eine beeindruckende Felslandschaft führende Autobahn, wo wir kurz vor Teheran noch beim 5.610m hohen Vulkan Damavand vorbeifahren. Wir sind gespannt, wie die Menschen in der Stadt sind. Sind sie auch so freundlich und hilfsbereit? Eins vorweg: Teheran wird für uns zur großen Überraschung… aber das ist eine andere Geschichte 🙂

 

 

 

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