Iran – Teheran

Written by Martin on August 28th, 2011. Posted in Allgemein

Martin: In Teheran angekommen, steht zuerst der Besuch der iranischen KTM Werktstatt auf dem Programm. Sich als Neuling in Teheran zurechtzufinden entspricht allerdings einer Herausforderung, der wir anscheinend nicht gewachsen sind. Also muss ein Taxi her, dass uns vorfährt. Es geht mitten durch die Stadt und eins ist mal sicher: der Verkehr hats echt in sich.

Um im Teheraner Autoverkehr zu überleben braucht man einen 360 Grad Blickwinkel. Autos und Mopeds kommen von überall her, jeder freie Zentimeter wird genutzt und als Vorrangverzicht interpretiert, die Fahrspuren und Ampeln sind anscheinend nur zur Zierde da und Vorrangregeln gibt’s sowieso keine. Die Devise ist, wer zuerst kommt mahlt zuerst. Die unglaubliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Iraner macht auch vor Großstädten keinen Halt und genauso wie am Land und in kleineren Städten, wird uns hier, in dieser Metropole mit seinen 7,6 Mio, Einwohnern, von vielen vorbeifahrenden Autofahrern und Passanten zugewunken oder ein freundliches „Welcome“ zugerufen. Bei über 40 Grad geht’s im Schneckentempo ans andere Ende der Stadt, wo wir unter in Angstschweiß gebadet und komplett fertig bei der Werkstatt ankommen.

Hier werden wir herzlichst vom hiesigen KTM Team und ein paar Stammkunden empfangen. Sich um unsere Motorräder kümmern wird keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass unsere Modelle im Iran nicht erhältlich sind, also auch keine Ersatzteile vorhanden sind. Die Motorräder dürfen wir in der Werkstatt lassen und bevor uns Babak, der Chef der Werkstatt, ins Hotel führt, werden wir kurzerhand für den nächsten Tag zum Abendessen eingeladen. Im Hotel angekommen suchen wir für die nächsten Tage sofort ein Neues, da wir durch ein Missverständnis anstatt in einer Low-Budget Unterkunft in einem völlig überteuerten 200 Dollar Schuppen landen, was uns auf einen Schlag das gesamte Teheran Budget wegfrisst.

Da wir nicht genau wissen, wie lange die Reparatur dauern wird und uns die Stadt nicht allzu attraktiv zum länger Verweilen erscheint, beschließen wir beim Schlendern durch die Strassen ein Reisebüro zu suchen, um nach den Flugpreisen zur Insel Kish zu fragen. Kish liegt im persischen Golf im Süden vom Iran und laut einigen Iranern, die wir kennen gelernt haben, ist es eine traumhafte Insel auf der man auch gut Tauchen kann. Als wir an einem Gassengeschäft vorbeikommen, wo am Schaufenster ein Flugzeug angeklebt ist, beschließen wir hineinzugehen und nach den Flügen bzw. einem Pauschalangebot zu fragen. Nach gut einer Stunde in dem Büro, in dem uns ein Mitarbeiter durch herum telefonieren die Flugpreise herausgefunden hat, stellt sich durch Zufall(!) am Ende heraus, dass wir gar nicht in einem Reisebüro, sondern bei einem Immobilienmakler gelandet sind. Der Mitarbeiter wollte uns einfach helfen und hat bei einem Reisebüro angerufen hat, um die Info für uns herauszufinden 🙂

Am nächsten Tag ziehen wir um und landen im vom Lonely Planet empfohlenen Hotel Firouzeh im Süden der Stadt, dass uns von Anfang an sehr sympathisch ist und vor allem durch den sehr netten und äußerst hilfsbereiten Rezeptionisten Mousavi überzeugt. Nach fast 6 Wochen, die wir meist unter Einheimischen verbracht haben, sind wir jetzt am „Lonely Planet“ Pfad angelangt und stoßen zum ersten Mal auf unserer Reise auf viele Backpacker. Wir freunden uns mit Michael an, einem Österreicher, der mit seinem Auto nach Indien unterwegs ist und zufälligerweise fast haargenau die gleiche Strecke gefahren ist wie wir. Er versucht sein abgelaufenes Pakistan Visum zu verlängern und wir beschliessen, dass sofern das klappt, gemeinsam zu fahren.

Am Abend treffen wir uns mit Babak und Parviz, einem weiteren KTM Geschäftsführer in der KTM Werkstatt und erkennen unsere Maschinen nicht wieder. Vollkommen verdreckt abgegeben, bekommen wir sie blitzblank geputzt und bis auf neue Reifen, die einfach nicht aufzutreiben sind, sind sie bereits komplett durch gecheckt. Das Abendessen in einem exquisiten Lokal entpuppt sich als Händlerevent, zu dem Majid, der Generalimporteur von KTM, eingeladen hat. Genauso schnell wie das Event angefangen hat, endet es auch. Irgendwann steht einfach jemand auf, wobei ganz egal ist, wer das ist, worauf sich der gesamte Saal wortlos erhebt, sich vom Gastgeber verabschiedet und zum Ausgang pilgert. Ob jemand noch isst oder sich unterhält spielt keine Rolle. Vor dem Lokal findet noch ein Networking statt, im Mittelpunkt stehen unsere Maschinen, die wir vor dem Restaurant aufgestellt haben und nach unzähligen Fotos und Small Talk verabschieden wir uns und fahren zurück in die Werkstatt. Die beiden laden uns für Freitag ein, mit ihnen zur Motocrosspiste zu fahren, was wir natürlich sofort annehmen. Parviz zeigt uns am Rückweg zum Hotel noch seine Textilfabrik, die er ebenfalls mit seiner Familie betreibt.

Am nächsten Tag treffen wir Omid, den wir am kaspischen Meer kennengelernt haben, mit seiner in Spanien lebenden Freundin Paloma. Wir verstehen uns sofort blendend und gemeinsam fahren wir in den Norden der Stadt in einen Park. Wir sind überrascht, wie sich die Stadt ändert, je mehr man in den Norden kommt. Im Süden ist der alte Teil der Stadt, die Häuser sind eher heruntergekommen, es gibt viele kleine Gässchen, der Smog treibt einem die Tränen in die Augen und es gibt kaum Grünflächen. Im Norden der Stadt befinden sich Berge und je weiter nördlich man sich bewegt, umso grüner werden die Stadteile, mit vielen Villen und guter Luft.

Wir fahren zunächst in einen schön angelegten Park und dann zum Abendessen zum Fuß einer der Berge, wo ein Restaurant neben dem Anderen ist und vielen Teheranern als Ausgangspunkt für Wanderungen dient. In einem der Restaurants setzen wir uns auf einen der typischen Sitztische, einem Holzgestell mit Teppich und Pölstern und verkosten iranische Ramadankost.

Paloma ist eine lustige, selbstbewußte und weltoffene Frau, während am Nebentisch alle Frauen ganz in Schwarz gekleidet, sich mit ihrem Schleier sogar das Gesicht verdecken. Der Kontrast könnte nicht stärker sein. Es kommt mir vor, als das das Kopftuch von Frauen auch als Ausdruck ihrer Einstellung dient. Viele Möglichkeiten haben sie ja leider nicht. Liberale Frauen tragen ihr Kopftuch so, dass die Haare nicht ganz verdeckt werden, andere wo die Haare verdeckt werden und andere wiederum verstecken sich ganz. Dazwischen gibt es wahrscheinlich zig Facetten, die ein ungeschultes Auge wie meines nicht interpretieren kann.

Den nächsten Tag verbringen wir damit durch die Stadt zu schlendern. Wir fahren zur ehemaligen amerikanischen Botschaft, in der 1979 US Diplomaten während der iranischen Revolution als Geiseln festgehalten wurden, was nicht gerade zur guten Beziehung zu den Staaten beigetragen hat. Sie ist heute Sitz der islamische Revolutionsgarde und die Wände sind mit zahlreichen antiamerikanischen Graffiti versehen.

Am nächsten Tag geht’s mit dem KTM Team zur Motocross Piste. Die Piste befindet sich mitten in den Bergen, von wo man eine hervorragende Sicht auf ganz Teheran hat. Das KTM Zelt wird aufgebaut, Essen, Getränke und Shishas ausgeladen und Musik aufgedreht. Ramadan ist hier kein Thema 🙂 Die Atmosphäre ist wahnsinnig angenehm, wie ein Picknick mit Freunden, wo halt immer ein paar auf die Maschine steigen, sich eine Zeitlang auf die Piste begeben, andere zurück kommen, ein ständiges Kommen und Gehen, das Zelt der gemeinsame Treffpunkt. Der Tag verspricht zu einer super Party zu werden.

Wir werden sofort herzlichst in die Gruppe aufgenommen und fühlen uns pudelwohl. Anfangs schauen wir zu, wie die Fahrer auf der Piste herumspringen bis uns Barak fragt, ob wirs nicht auch mal ausprobieren wollen. Den Satz hat er noch gar nicht fertig gesprochen, da ist Bastl schon aufgeregt auf den Beinen. Obwohl ich noch nie auf einer Motocross Maschine draufgesessen bin, borgt mir Babak sein Motorrad. Zunächst fahren wir auf der Sandschotterstraße auf einen der Hügel, von wo man ganze Stadt überblickt und auf der anderen Seite die Berge kein Ende zu nehmen scheinen. Die Sandschotterstraße geht hier auch weiter und wir beschließen später mit unseren Adventures für Fotos nochmals raufzufahren.

Danach geht’s runter auf die Motocrosspiste. Ich fahre wie auf rohen Eiern, es geht über Muggeln, steil bergauf, steil bergab und über Sprunghügel, über die ich aber eher drüberhopse. Reza, der ebenfalls in der KTM Werkstatt arbeitet, fährt netterweise neben mir, gibt mir Tips und paßt auf, dass ich niemanden über den Haufen fahre. Oder umgekehrt 🙂 Die Maschinen lassen sich super handeln und das fahren macht echt Spaß, ist aber irre anstrengend. Ich kann jetzt allerdings nachvollziehen, warum soviele auf diesen Sport reinkippen. Nach 3 Runden bin ich komplett durchnässt und fahre zurück zum Zelt während Sebastian anscheinend nicht genug bekommen kann. Keine Ahnung woher er die Energie nimmt. Zurück im Zelt bekommen wir beide eine super Massage, bei der ich froh bin, dass mein Genick nicht gebrochen ist und die Bastl noch Tage später nicht vergessen wird 🙂

Am späten Nachmittag fahren wir, diesmal mit unseren Maschinen, gemeinsam mit ein paar anderen auf den Hügel hinauf. Nach einer kurzen Fotosession beschließen wir, trotz einiger Bedenken unserer neuen Freunde, der Sandschotterstrasse mit unseren Adventures weiter in die Berge zu folgen.

Denn sie wissen nicht was sie tun II

Auf dem nächsten Hügel angekommen geht der Streckenverlauf ein wenig bergab aber danach dermaßen extrem Steil bergauf, dass es mir allein beim Anblick den Magen zusammenzieht. Bergab fahre ich noch mit, bleibe dann aber stehen und schaue Sebastian zu, wie er mit Siamac als Beifahrer den Geröllhang hinaufprescht. Ich beschließe eigentlich zu passen, überlege es mir dann doch anders. Wenn Bastl mit Beisitz raufkommt, sollte es ja nicht so schwer sein 🙂 Mit Vollgas ziehe ich den Hang hinauf, fast am Ende angekommen, verliert mein Hinterrad Halt, bricht von einer Seite zur anderen aus und ich habe das Gefühl, dass es mir jeden Moment die Maschine unterm Arsch wegreißt. Tut sie aber nicht und vollgepumpt mit Adrenalin komme ich am Hügel an. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie ich da wieder runterkommen soll. Von oben schaut der Hang noch steiler aus als von unten.

Siamac beschließt sich hinter mich zu setzen und mir während der Fahrt herunter Tipps zu geben. Ich lehne dankend ab, ich habe noch nie jemanden mitgenommen und dann soll das erste Mal gleich auf so einer Strecke sein? Aber Siamac ist von seiner Idee überzeugt und läßt sich nicht abbringen. Immer leicht mit der Vorderradbremse bremsen sagt er mir, als wir dem Hang entgegen rollen. Trotz ersten Gang sind wir im nu auf über 60 km/h und schießen den Hang hinab. Ich bin wie in Trance, unter mir ruckelt es wie wild und hinter mir ertönen unermüdlich Siamacs Angstschreie und Bremsaufforderungen. Wie durch ein Wunder kommen wir unbeschadet runter. Ich atme tief durch, Siamac ist kreidebleich … und Bastl bricht ab vor Lachen.

Zurück in der Werkstatt stellen wir die mittlerweile wieder versauten Maschinen wieder ab und Babak lädt uns zu sich zum Essen ein. Wir lernen seine Frau und seine zwei Kinder kennen. Seine Frau hat toll aufgekocht, die Atmosphäre ist sehr angenehm und ich fühle mich richtig wohl. Der Tag hätte nicht besser sein können.

Am nächsten Tag warten Babak und Reza bereits auf uns in der Werkstatt und als wir ankommen, trauen wir unseren Augen nicht. Die Motorräder sind wieder Blitzblank, ich habe neue Spiegel und meinen kaputten Spiegel gibt er mir gerichtet als Ersatz mit. Nach einem letzten gemeinsamen Foto und der Aufforderung ihn bei jeglichen Problemen sofort anzurufen, verabschieden wir uns. Reza fährt uns noch vor bis zur Autobahn, um sicherzugehen, dass wir uns nicht verfahren.

Was Teheran für mich so besonders gemacht hat, war nicht die Stadt per se, sondern wie so oft die Menschen, mit denen wir Zeit verbringen konnten. Mit vielen unvergesslichen Erinnerungen brechen wir zu unserem nächsten Ziel auf: Esfahan mit seiner berühmten 33 Bogen Brücke.

Aber das ist eine andere Geschichte…

 

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