Chile – Österreich auf Steroiden?!
Martin: Von der Grenze geht’s gleich in den nächsten Bus und nach über 30 Stunden entlang der ziemlich eintönigen Nordküste Chiles erreichen wir Santiago und nach 2 weiteren Stunden genau am Ankunftstag unserer Babies, Valparaiso. Komplett fertig von den Busfahrten wandern wir ein wenig ziellos durch das sehr schöne Stadtzentrum Valparaisos bevor wir uns entschließen zur Villa Kunterbunt zu fahren, einer bekannten Unterkunft für Motorradreisende. Die deutschsprachigen Besitzer sind in vielen Foren hochgepriesen für deren Hilfe bei der Abwicklung der Zollformalitäten, verlangen dafür allerdings saftige €150 pro Bike und obwohl uns von ihnen versichert wird, das es unglaublich kompliziert ist und jeden Cent wert, beschließen wir es zunächst mal alleine zu versuchen…
Ganz alleine sind wir ja nicht 🙂 Wir schließen uns mit Effendy, unserer Transportfee aus Malaysien kurz und nach drei Tagen interner Abstimmung mit seinem chilenischen Partner bekommen wir den Namen unserer Kontaktperson, Alejandro, genannt, den wir am nächsten Tag vor dem Zollgebäude treffen. Keine Ahnung ob und was uns seine Hilfe kosten wird, hilft er uns durch den ganzen Prozess, der uns eigentlich sehr einfach und unkompliziert erscheint. Ein wenig Spanisch sollte man halt können. Zu unserer Überraschung sind die einzigen Gebühren, die wir zahlen die Lagerkosten, da wir die Mopeds mit 3tägiger Verspätung abholen. Auch Alejandro verlangt nichts, „I used to travel myself, I know how it is if you are dependent on help. I’m happy I can help you, welcome to my country“. Wieder einmal kommen wir in den Genuss einer unglaublichen Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft. Am späten Nachmittag ist es dann endlich soweit, wir stehen vor unseren Bikes, die wir entgegen einiger Forenberichte, nicht nur Vor-Ort auspacken dürfen, sondern sogar für uns ausgepackt werden 🙂 Schnell noch zur Tankstelle Benzin kaufen und nach über 2 Monaten sitzen wir überglücklich wieder auf unseren Bikes, die den Transport ohne Kratzer überlebt haben.
Wir verstehen uns mit Alejandro auf Anhieb prächtig und vereinbaren, dass wir gemeinsam weggehen. Das Nachtleben Valparaisos kann sich sehen lassen und Alejandro entpuppt sich als ziemlich trinkfester Companion… was mir gar nicht gut bekommt. Zum Schreck dreier netter Mädels und dem Fahrer unseres Collectivos (Sammeltaxi) kotze ich ihm am Rückweg das Auto voll, gerade als wir zurück in der Villa Kunterbunt ankommen 🙂 Die Villa Kunterbunt ist eine super Möglichkeit andere Reisende zu treffen, sofern es einen nicht stört, dass die zwei Hunde alles vollpissen, was so herumsteht oder ohne merklichen Grund auf einmal lauthals losbellen, dass es einen aus dem Sessel reißt 🙂 Hier bekommt Sebas den Kontakt zu einem englischen KTM Fahrer der in Santiago lebt, der uns prompt zu sich einlädt. Das Angebot lassen wir uns natürlich nicht entgehen und nach 5 Tagen in Valparaiso verabschieden wir uns von Alejandro und auf geht’s nach Santiago.
Wir treffen Martyn am Stadtrand und staunen nicht schlecht als wir in seinem Haus ankommen. In einem wunderschönen Tal mit Blick auf eine Gebirgslandschaft gelegen, erwartet uns eine Villa mit Swimmingpool und BBQ. Wir verbringen einen super feucht fröhlichen Abend mit ihm und seiner Frau und bekommen das beste Roastbeef aufgetischt, das ich jemals gegessen habe. Chile bringt er für uns so auf den Punkt: „also Jungs, ist seid aus Österreich, ja? Österreich ist für jeden Motorradfahrer ein absoluter Traum. Also wenn ihr jetzt weiter südlich fahrt, stellt Euch Österreich auf Stereoiden vor, denn genauso ist das dort“. Die chilenische Küche fasst er mit einem einfachen „Scheisse“ zusammen. Da wussten wir noch nicht wie recht er mit beidem hat 🙂
Obwohl wir eigentlich schon am nächsten Tag weiterfahren wollten, überredet uns Martyn übers Wochenende zu bleiben und mit ihm eine Ausfahrt mit dem Motorrad zu machen. In der Früh geht’s los und über eine Schnellstrasse fahren wir aus Santiago raus. Wir erreichen eine kleine Ortschaft wo Martyn uns voller Erwartung mitteilt, dass jetzt ein Traumstück mit Kurven, Kurven und nochmals Kurven kommt. Voller Freude preschen alle los. Außer ich, denn Eva-Dos streikt und weigert sich anzuspringen. Anscheinend ist der Sensor am Ständer kaputt und die Maschine stirbt jedesmal ab, wenn ich ihn hochklappe. Wir checken unzählige Foreneinträge ab (es lebe mobiles Internet :-)) und finden ein paar sehr wertvolle Tips, die empfehlen, ein Kabel abzustecken und es mit einer Büroklammer zu erden und so die Elektronik auszutricksen, damit die Maschine glaubt, dass sie andauernd im Leerlauf ist. Gerade als wir nach über einer Stunde herumprobieren beschliessen aufzugeben und sie abschleppen zu lassen, hat Martyns Freund noch eine Idee und siehe da, mein Mäuschen schnurrt wieder wie eh und je 🙂 Wir hatten nur das falsche Kabel. Eine schöne Erfahrung, dass man sogar ein Problem mit der Elektronik mit Duck-Tape und Büroklammer beheben kann.
Martyn führt uns durch das Creme de la Creme der Motorradasphaltstrecken in der Umgebung Santiagos, über wunderschöne kurvige Strassen geht’s zunächst durch wüstenähnliches Gelände, dann am Meer entlang und zu guter Letzt kommen wir wieder in Santiago raus, wo uns eine wunderschöne Aussicht auf die Santiago umgebenden Berge begrüßt. Nach diesem tollen Ausflug verbringen wir noch einen sehr netten Abend mit einer weiteren Freundin von Martyn, einer Amerikanerin, die seit Jahrzehnten die Welt bereist und zur unserer Überraschung Ted Simon, einer Motorradweltreiselegende, bei seiner zweiten Weltumrundung für eine zeitlang beherbergt hat. Ich habe sein Buch kurz vor Reisestart gelesen und kann mich an die Passage erinnern, wo er sein Treffen mit ihr beschreibt. Lustig wie klein die Welt ist 🙂
Am nächsten Tag ist es dann soweit, wir brechen in den Süden auf! Von Santiago geht’s auf der 5er, der chilenischen Panamericana in den Süden, zuerst nach Chillan zu KTM, die meinen kaputten Sensor tauschen. Da mein Bike noch Garantie hat ist der Austausch bis auf die Arbeitskosten gratis. Danach gehts weiter nach Villarica, wo uns ein wunderschöner See mit Aussicht auf den gleichnamigen aktiven Vulkan erwartet. Wir sind beide hin und weg und da es langsam dämmert, machen wir uns auf die Suche nach einer Unterkunft. Die Preise sind allerdings alles andere als einladend und wir finden einen Campingplatz für horrende 20 Euro pro Nacht. Dazu muss man vielleicht hinzufügen, dass er direkt am See mit Ausblick auf den Vulkan liegt, mit einer eigenen Hütte mit Warmwasser und Dusche und einem BBQ Platz… quasi ein Camping deluxe 🙂
Der Platz ist der absolute Hammer und da wir wiedermal Off-Season sind, sind wir die einzigen Gäste und haben das ganze Areal für uns alleine. Das Wetter ist top, sternenklarer Himmel, der Vulkan spiegelt sich im See und in der Nacht sieht man roten Dampf leicht aufsteigen. Wir sind beide hin und weg, fühlen uns pudelwohl und anstatt nur eine Nacht zu bleiben, bleiben wir 5, gehen täglich im Supermarkt fürs BBQ einkaufen und genießen den Ausblick und die Ruhe um uns herum. Sebas hat wie aus dem nichts wiedermal einen Platten, aber auch das ist schnell geflickt. Im Nachbarort Pucon, der übrigens genauso aussieht wie ein Dorf in Salzburg oder Tirol, erfahren wir, dass man den Vulkan auch in einem Tag besteigen kann. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen 🙂
Um 7 in der Früh geht’s los, wir treffen uns bei der Agentur und zu unserer Überraschung sind wir eine ganz schön große Gruppe. Wir holen unsere Ausrüstung bestehend aus abriebfester Hose, Jacke, Helm, Eispickel und Steigeisen ab und gemeinsam mit ca. 30 Israelis geht’s zum Sessellift, dem Ausgangspunkt der Wanderung. Den Vulkan kann man nämlich nicht nur erwandern, im Winter kann man auf seinen Hängen auch Skifahren… sofern er nicht gerade ausbricht 🙂 Gleich zu Beginn wird die Gruppe gesplittet in jene, die von hier weg zu Fuß gehen und jene, die den Lift nehmen und von einem Stückchen weiter oben beginnen, wodurch man sich ca. 1 Stunde erspart. Äehm, da ich schon lange nicht mehr mit dem Lift gefahren bin, entscheide ich mich für den Lift 🙂 Sebas gibt sich die Challenge von ganz unten, und während ich auf dem Lift sitzend die wunderschöne Aussicht genieße und den Weg sehe, den er noch vor sich hat, lehne ich mich guten Gewissens zurück, die für mich richtige Entscheidung getroffen zu haben 🙂 Von der Liftstation geht’s dann durch einen Sand/Steinweg bergauf, an einer Liftstation, die der letzten Eruption 1971 zum Opfer wurde, vorbei zum Gletscher. Dort machen wir eine Pause und legen die Steigeisen an.
Nach einer kurzen Einschulung wie wir Steigeisen und Eispickel benutzen müssen geht’s im Gänsemarsch weiter. Sebas und ich sind inteligenterweise in einer Gruppe gelandet, deren Führer beschlossen haben, ohne weitere größere Pausen den Gipfel zu erklimmen, und so geht’s mir dementsprechend, als ich endlich oben ankomme. Auf einem aktiven Vulkan zu stehen und in den dampfenden Schlund zu schauen, hat schon was…
…sofern man dem Dampf nicht direkt ausgesetzt ist, denn das Atmen der Gase ist alles andere als angenehm. Aber nicht nur der Schlund ist aufregend, auch die Aussicht hats in sich. Vor uns offenbart sich eine wunderschöne Seen-/Berg bzw. Vulkanlandschaft, die mich ein wenig an das Salzkammergut erinnern. Nach rund ein halben Stunde am Gipfel geht’s wieder bergab, den Gletscher rutschen wir über Rinnen herunter bis wir wieder Gestein und kurze Zeit später unseren Ausgangspunkt erreichen. Beide sind wir überglücklich über das Erlebte und nach einer weiteren Nacht auf dem Campingplatz brechen wir weiter gen Süden auf. Allzu weit kommen wir leider nicht 🙂
Denn nach einer super Schotterpistenfahrt nach Puerto Fuy, die beim Lago Panguipulli in eine traumhafte Asphaltstrasse entlang des Sees übergeht, kommt Sebas bei einem an der Strasse gelegenen Aussichtspunkt drauf, dass die Aufnahme mit der Helmkamera nicht geklappt hat. Um diese Traumstrecke für die Nachwelt festzuhalten beschließt er noch einmal zurückzufahren. Während er sich gerade fertig macht positioniere ich mich mit der Kamera für ein Kurvenphoto, welches nie geschossen werden sollte. Denn auf einmal höre ich einen furchtbaren Knall und auf die Strasse laufend sehe ich Sebastian neben Escargot sitzend die es frontal gegen eine Felswand geknallt hat. Sebas ist zum Glück anscheinend nichts passiert, aber Escargot schaut ganz und gar nicht fit aus…
Was passiert ist und wie Escargot wieder auf die Beine kommt, wie ein scheinbar schlechtes Ereignis auch seine guten Seiten hat und wohin uns die Reise weiterführt, das ist eine andere Geschichte. Stay tuned 🙂