Die letzten Meter – von Frankfurt nach Wien
Martin: In Frankfurt angekommen geht’s zunächst mal direkt in eine der am Flughafen aufgestellten Raucherboxen und dann direkt zum Cargo Bereich. Gleich beim Informationsschalter werden wir von der Angestellten sehr nett empfangen, die ganz hin und weg ist, dass wir gerade von einer Weltreise zurückkommen. Bei der Auslösung der Motorräder geht es uns nicht anders. Das Personal ist super freundlich, der Zoll relaxed und nach drei Stunden sind die Motorräder verzollt und fahrfertig zusammengebastelt. Unser Tagesziel ist München, wo wir einen Freund von Sebastian treffen…
Dieser hat uns netterweise ein Zimmer in der Stadt gebucht. Da wir weder GPS noch Karten haben, fragt Sebas eine Polizeistreife nach dem Weg… und was dann passiert ist, wäre uns nicht einmal im Traum eingefallen 🙂 Die beiden Polizisten entpuppen sich als äußerst motorradaffin und nachdem sie erfahren, dass wir von einer Weltreise zurückkommen, eskortieren sie uns glatt bis zu unserem Hotel, wo wir uns noch eine Zeit lang über die Reise unterhalten. Beide sind wir hin und weg. Wir haben uns ehrlich gesagt von der Ankunft in Deutschland nicht viel erwartet und dann das. Als Krönung verbringen wir einen super lustigen Abend mit Karl und seinem Bruder, Freunden von Sebastian, bevor wir hundemüde in unsere Betten fallen. Ich muss zugeben, München ist echt eine schöne Stadt! Die Ankunft und unser erster Tag zurück in Europa hätte nicht besser laufen können. Dank den sehr netten Mitarbeitern von Lufthansa Cargo, dem Zoll, unseren beiden Freunden von der Münchner Polizei und Karl und seinem Bruder, ein weiterer ganz besonderer Moment unserer Reise, den wir so schnell nicht vergessen werden.
Am nächsten Tag frühstücken wir noch mit Karl und Arianne, seiner Kollegin, und ab geht´s Richtung Österreich, wo wir kurze Zeit später, nach 376 Tagen, die Grenze überschreiten. Beide verharren wir ein wenig vor dem Grenzschild, jeder für sich selbst. Meine Gefühle sind gemischt, jetzt ist klar: in ein paar Tagen ist das Abenteuer zu ende. Die ganze Reise war so unglaublich, was jetzt wohl kommen mag? Wie wird es sein zurück zu sein? Andererseits freue ich mich auch wieder auf meine Freundin, Familie und Freunde. Unsere erste Station ist KTM in Mattighofen, wo wir nicht nur sehr herzlich empfangen werden, sondern uns auch sehr geholfen wird, unsere Mädls wieder „Pickerl“-ready zu machen, denn im derzeitigen Zustand, hatten wir Glück gehabt nicht aufgehalten worden zu sein 🙂
Nach ein paar Tagen in Mattighofen brechen wir nach Admont auf, wo wir Ervin, einen Freund treffen, der uns mit seiner GS nach Hause begleiten wird. Der Weg dahin ist wunderschön, beeindruckende grasbewachsene Hänge, die für die Region typischen Dörfer und beide cruisen wir durch die Landschaft und lassen uns von der Umgebung berieseln. Nach einer herzlichen Begrüßung mit Ervin fahren wir auf die Oberst Klinke Hütte, einer auf einem Berg mit wunderschöner Aussicht gelegenen Herberge, wo wir auch die Nacht verbringen. Am nächsten Morgen ist es dann soweit. Der letzte Tag unserer Reise ist da! Über eine Traumstrecke geht’s über das Gesäuße nach Mariazell, wo wir uns mit weiteren Freunden verabredet haben. Die Strecke führt uns von einem Tag ins nächste, an einem Wildwasser entlang umgeben von beeindruckenden Kalkbergen. In Mariazell treffen wir Leon und Alex und nach einer kurzen Stärkung fahren wir weiter Richtung Kalte Kuchl. Weit kommen wir allerdings nicht…
Denn kurz nach der Abfahrt Richtung Annaberg fahren wir prompt in eine Polizeikontrolle. Alex hat sich das Motorrad von einem Kollegen ausgeborgt, welches nicht ganz den Verkehrsvorschriften entspricht 🙂 Alles halb so schlimm, der Polizist hilft uns bei der Lösung des Problems und nach einer kleinen Strafe schickt er uns mit einem „kumts guat ham Buaschen“ auf den Weg 🙂 Mit einer einstündigen Verspätung kommen wir in der Kalten Kuchl an, wo Familie und Freunde bereits auf uns warten.
Nach vielen herzlichen Umarmungen machen wir uns auf den Weg zu Sebastians Papa, der am Gipfel eines Hügels in einem netten Bauernhaus lebt. Alles ist super vorbereitet und wir verbringen einen tollen Abend grillend und tratschend. Zur Feier des Tages erscheinen auch noch zwei wunderschöne Regenbögen am Horizont. Es ist schön wieder im Kreise von Familie und Freunden zu sein und ich freue mich ganz besonders, meine bessere Hälfte wieder in den Armen halten zu können. Am nächsten Tag fahre ich mit Eva nach Wien, die zum ersten Mal hinter mir auf dem Motorrad sitzt. Am Weg zu unserer Wohnung fällt mir die teils wunderschöne Architektur auf, die mir davor in ihrer Pracht gar nicht so bewußt war. Ich lasse die Stimmung auf mich wirken und spüre, wie gerne ich diese Stadt eigentlich habe. „Wien, Wien nur Du allein, kannst die Stadt meiner Träume sein“ – nun, ganz so ist es auch wieder nicht. Aber es ist schön, wieder daheim zu sein 🙂
Die Reise als Ganzes ist für mich schwer in Worte zu fassen, zu facettenreich waren die Eindrücke, Momente, Stimmungen, Gerüche, Landschaften und Begegnungen, die ich täglich erfahren durfte. Durfte, weil es nicht selbstverständlich ist, dass ich diese Reise habe machen können und die ohne die Unterstützung von vielen anderen, nicht so gewesen wäre, wie sie war. Ganz egal wo ich war, in jedem Land kamen wir in den Genuss einer Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, die einem vor Dankbarkeit die Gänsehaut aufzieht. Umso mehr bin ich auch dankbar, dass wir mit unserer Spendeninitiative jene unterstützen konnten, die weniger Glück haben als wir und, dank Eurer Hilfe, gemeinsam beitragen konnten, ihnen ein Aufwachsen in einem liebevollen Zuhause zu ermöglichen.
Wir haben uns entschieden, so wenig wie möglich zu planen, uns einer Dynamik auszusetzen, der wir freien Lauf lassen. „Go with the flow“ wurde zur Reisephilosophie, wir ließen uns treiben und freuten uns auf das was kommt. So wurde jeder Tag zum neuen Abenteuer, die Unsicherheit zur Sicherheit des Alltags und das Vertrauen auf die Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit der Menschen, denen wir begegneten, zum ständigen Reisebegleiter. Warum? Weil wir auf sie angewiesen waren. Sei es ein Reifenplatzer, die Frage nach dem Weg, die Suche nach einer Unterkunft, Empfehlungen für die Weiterfahrt; immer waren es Mitmenschen die uns weitergeholfen, aufgenommen und unterstützt haben und ein wichtiger Teil unserer Reise geworden sind.
Es ist kaum in Worte zu fassen, welche Gefühle einem hoch kommen, wenn einem auf der Straße zugewunken und zugelächelt wird. Wenn man irgendwo stehen bleibt und sofort jemand da ist, der sich erkundigt ob man Hilfe braucht, wenn jemand einen anderen Weg einschlägt und uns vorfährt, nur um sicher zu gehen, dass man die richtige Strasse finden oder wenn man einfach so angesprochen und zum Essen eingeladen wird… oder einen die Polizei zum Hotel eskortiert 🙂
Nationalität, Religion, Hautfarbe, Sprache, Geschlecht sind für mich neutrale Eigenschaften, die ich mir durch teilweise hetzerische, einseitige mediale Berichterstattung nicht in die eine oder andere Richtung manipulieren lasse. Was zählt ist der Mensch. Das alles nehme ich mir mit, werde ich nie vergessen. Die Zeiten wo ich an Touristen vorbeigehe, die planlos in ihre Karten schauen sind vorbei… 🙂