Kolumbien – reunited zur verlorenen Stadt

Written by Sebastian on April 6th, 2012. Posted in Allgemein

Sebastian: Da sitze ich nun im Flieger Richtung Bogota, wo mich Martin sicher schon sehnsüchtig erwartet. Auch wenn er die letzten Tage mit seiner Freundin Eva verbracht hat (sie hatte beruflich in Venezuela zu tun und konnte für ein paar Tage nach Bogota kommen) wird er mich doch schon sehr vermissen :)). Am Flughafen geht dann alles wie gewohnt sehr flux. Da ich vergessen hatte, die Adresse des Hostals aufzuschreiben, lässt mich ein Flughafen-Mitarbeiter  einfach an seinen Arbeitscomputer, damit ich mich via Internet schlau machen kann. Danach wird mir ein Taxi zugeteilt, welches mich zu einem Fixpreis zum Hostal fährt – nettes Gespräch inklusive :).Ich bin nun also tatsächlich in Südamerika angekommen (es ist mein „erstes Mal“) und fühle mich sofort pudelwohl! Keine Spur von „gefährlicher“ Stimmung oder Ähnlichem, wie man es aus Medienberichten oder nach Warnungen von anderen Reisenden oder auch Kolumbianern erwarten könnte.

Im Hostal angekommen freue ich mich schon auf Martin, nur um herauszufinden, dass er schon schläft… Es ist nicht einmal Mitternacht und er pennt schon??? Hat nicht auf mich gewartet?! Hmpf! Na scheinbar war die Sehnsucht nach mir doch nicht so groß wie angenommen :D. Sei’s drum denke ich mir und komme auch sofort mit Migel aus Mexico City ins Gespräch. Was also tun… na klar, aber in die nächste Bar :). Das Lokal ist gute Besucht, es wird live musiziert und fast alle Gäste tanzen oder singen teilweise mit der Band mit. Genau so hatte ich mir das erhofft :)). Mit Migel wird dann noch kräftig philosophisch und obergescheit parliert bevor wir gegen 2.00 ins Hostal ziehen und ich mich daran mache, meinen nach wie vor hartnäckigen 12h Jetlag auszuschlafen.

Am nächsten Morgen ist es dann soweit! Martin und ich sind reunited!!! Mit Tränen in den Augen fallen wir uns in die Arme, erzählen einander was passiert ist und wie langweilig es ohne einander war! Denkste… :)). Der frisch rasierte, gekämmte und so kaum wiederzuerkennende Martin ist wie üblich in der Früh kaum ansprechbar und ich bin auch noch ziemlich im Eck. Wir widmen einander ein kurzes „Hallo,“ als hätten wir uns nie getrennt und das war’s auch schon :). Der Star des Tages ist jedoch sowieso Eugénie, eine Freundin von mir aus Paris, die schon am Vortag angekommen war und mich nun in der Früh aus dem Bett zitiert.Sie wollte uns schon in Nepal besuchen, nachdem sich das allerdings nicht ausging kommt sie nun mehr als 3 Wochen mit uns mit und wird so Teil des Abenteuers!

An diesem Tag sind wir einfach mal Touristen. Wir besuchen die Montserrate Kirche auf den Bergen über Bogota sowie eine kleine Botero Austellung im La Candelaria Viertel bevor wir Freunde von Eva treffen, mit denen wir den Nachmittag verbringen und Abendessen gehen. Ich werde dabei immer wieder von Müdigkeitseinbrüchen heimgesucht und als wir in der Nacht noch einen heben gehen sitze ich mit Mütze und Jacke da, während Martin im T-Shirt in die Gegend strahlt! Brrrr, is mir kaaalt! Am nächsten Morgen muss Eva auch schon wieder abreisen – nur kurze 5 Tage konnte sie diesmal mit Martin verbringen… Am Nachmittag schlendern wir ein wenig durch die Stadt und „planen“ ein wenig die Route für die nächsten Wochen.

Am folgenden Morgen sind wir dann auch schon unterwegs. Die erste Etappe soll uns per Bus bis nach San Gil, einer kleineren Stadt nördlich von Bogota in der Region Santander, bringen. Von dort aus machen wir einen Tagesauflug. Zuerst fahren wir mit einem kleinen lokalen Bus durch die traumhafte Hügellandschaft. Das Wetter spielt auch hier alle Stückerl und erstmals vermissen wir unsere KTMs sehr. Die Gegend wird von kurvenreichen Straßen durchpflügt und die Landschaft ist ein Augenschmaus.

Dazu kommen die nach wie vor wundervollen Menschen, die fast alle ein Lächeln auf den Lippen tragen und einem fröhlich in die Augen blicken. Nach 45 Minuten kommen wir in Barichara, einer kleinen authentischen Ortschaft mit wunderschönen, einstöckigen Häusern die mich an wenig an den Film Volver mit Penelope Cruz erinnern. Wir saugen eine Stunde lang die Atmosphäre in uns auf und machen uns dann auf einen 2 stündigen Fußmarsch zu einem Nachbardorf Guane. Wie wir schon aus dem Bus erkannten, ist die Landschaft ein Gedicht und die zwei Stunden einfach ein herrlicher Spaziergang im Grünen. Im Dorf angekommen gibt es dann noch ein gutes Stück Fleisch bevor wir ein wenig später den Bus zurück nach San Gil nehmen.

Nachdem wir in San Gil noch den in der Stadt befindlichen Mini-„Nationalpark“ besucht und anschließen im Lokalen Fluss erfrischt haben nehmen wir am Abend die 12h Nachtfahrt nach Santa Marta an der Nordküste in Angriff. Dort werden wir schon von der Familie von Freunden erwartet, die uns liebenswerter Weise angeboten haben, bei ihnen zu nächtigen. Von Camilo (dem Bruder des Mannes einer Freundin… damits kurz erklärt wird 🙂 ) und seiner Frau werden wir gleich mal zum Frühstück eingeladen und es wird uns ein wenig erklärt wie hier der Hase läuft. Auch in Santa Marta gibt es Ecken, die man meiden sollte, aber im Großen und Ganzen scheint alles sehr ok :).

Während wir dann am nächsten Tag durch die Stadt flanierien, erspähen wir am Hauptplatz eine Menschenansammlung und wollen natürlich in bester wiener Hausmeistermanier wissen, was denn hier passiert. Als ich so über die Leute blicke (ja, das kann ich 😉 ) sehe ich eine Gruppe von Kindern die ihr Bestes geben, um die Zuseher von ihren Tanzkünsten zu überzeugen. Alle 3 müssen wir zugeben, dass sie diese Aufgabe äußert gelungen erledigen – wir sind verblüfft darüber wie dies Kids schon ihre Körper im Griff haben. Das sieht besser aus als jeder Tanzschritt den ich in meine Leben gewagt habe… einmal mehr verflucht man die Ungerechtigkeit Gottes Verteilung von Rhythmus und Körpergefühl. In solchen Momenten fühle ich mich wie ein rostiger Roboter.

Wir verbringen also ein paar Tage hier, während derer wir mit Camilo, Frau und Kind auch zur Bahia Concha fahren und dort den Tag am Strand genießen. Einfach ein herrlicher Ort wo einem gegrillter Fisch, Getränke und Eis am Strand serviert werden und das Wasser tiefblau und schön kühl ist, so wie ich es gerne habe! In unserem temporären Domizil werden wir während dieser Zeit von der Chefin des Hauses (die Mutter des Mannes…) tagtäglich verköstigt. Auch wenn das Essen ausgezeichnet ist, stoßen wir vor allem Morgens bei Kartoffeln, gebratenen Bananen und Reis teilweise an unsere Grenzen 🙂 Vor allem der arme Martin, der normalerweise in der Früh genau gar nichts zu sich nimmt… nach 3 Tagen entscheiden wir uns dann für die recht kostenintensive Wanderung zur „Ciudad Perdida“, der verlorenen Stadt die etwas östlich von Santa Marta im Parque National de Tayrona liegt. Die über 200 Euro für den 5 tägigen Hike sollten sich auszahlen!

Am nächsten Morgen brechen wir also auf, um auf den Spuren der Indigenos zu wandeln. Die Ciudad Perdida liegt mitten im Dschungel und wurde erst im Jahre 1975. Erbaut wurde sie zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert und ist somit noch älter als die berühmte Macchu Picchu Anlage in Peru. In der Früh werden wir abgeholt und freuen uns, dass wir nur zu dritt in einem großen Jeep unterwegs sind. Die Freude relativiert sich, nachdem wir „umgeladen“ und mit zig anderen Hobbyarcheologen den Jeep teilen müssen… wobei ich dabei aufgrund meiner Größe vorne sitzen darf – oh yeah, das Leben ist schön :). Dabei verdränge ich allerdings Gudrun und Carola, zwei lustige Mädls aus Österreich, aber damit kann ich ganz gut leben ;).

Der Hike startet mit einem herrlichen Sandwich und einem Kennenlerngespräch mit unseren Landsfrauen, die sich wie nicht anders zu erwarten als äußerst wortgewandt herausstellen. Damit sind ein paar humorvolle Tage gesichert und es geht los. Nach nur 40 Minuten macht unser Guide, nennen wir ihn einfach Alejandro (wir können uns nicht mehr an seine Namen erinnern…), auch schon das erste Mal halt. Wir sind an einem Fluß angelangt und dürfen sogleich hineinspringen… besser geht’s nicht denk ich mir und sofort tollen Martin und ich wie Kinder im Wasser! Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnten…

ist, dass die auf uns wartende Etappe der Hölle gleichen würde. Wir laufen also frohgemut los und nehmen die ersten Meter der heftigen Steigung mit Bravour und noch gemütlich plaudernd. Wenige Momente später starren wir mit hochroten Köpfen auf den Boden, reden kein Wort mehr und wundern uns, dass einem wie ein Wasserfall Schweiß über die Stirn strömen kann… Der Sandweg windet sich in engen Schleifen den Berg hoch und man ist sich eigentlich immer sicher, dass die Qual nach der nächsten Kurve ein Ende hat, nein HABEN MUSS!!! Tut sie aber nicht…

Ich wandere generell gerne etwas schneller und lasse Martin und Eugénie hinter mir. Das bezahle ich bitter in den Momenten, in denen ich tatsächlich keinen Meter mehr gehen kann und zum Verschnaufen anhalten muss. Ich versuche dabei recht lässig in die Landschaft zu blicken, doch eigentlich sehe ich kaum mehr was so schwarz ist mir vor Augen und meine Schläfen hämmern in dem Polka-Takt, den mein kleines Herz gerade in rasendem Pumpeifer vorgibt. Irgendwann, nach unzählbaren schmerzvollen Höhenmetern komme ich beim ersten Boxenstopp an. Wassermelone gibt es und das ist gut so, nachdem ich während der letzten 40 Minuten mindestens mein halbes Körpergewicht durch Flüssigkeitsverlust auf dem Weg zurückgelassen haben muss. Wenig später stapfen,… oder besser kriechen Martin und Eugénie daher. Eugénie muss unserem Guide unterdessen sehr schmeichelhaft gekommen sein, denn dieser trägt jetzt ihren Rucksack… Martin erklärt mir dann, dass sie beinahe kollabiert wäre und ihr der freundliche Herr deshalb zu Hilfe geeilt ist, als er nur mehr weiss in ihren Augen sah.

Nach diesem Start zweifeln wir alle mal gemeinsam und sehr gründlich am Sinn dieser Wanderung, aber Gott sei Dank (ja da sind wir wieder soweit – es sind die 2 Minuten des „gläubig seins“ angesagt) wird der Rest der Strecke großteils einfacher! Dass die Landschaft wunderbar ist, muss ich wohl kaum erwähnen, eher jedoch, dass wir uns in einem ehemaligen Koka-Anbaugebiet befinden, dessen ehemaligen Koka-Bauern mittlerweile von Kaffee und Kakaoanbau, Viehzucht sowie dem Tourismus leben (unser Guide war zum Beispiel früher Koka Bauer). Insgesamt sind wir 3 Tage lang unterwegs, schlafen in ausgezeichneten Hängematten oder Bettlagern mitten in der Wildnis und werden wunderbar verköstigt (man könnte fast sagen „gemästet“). Obendrein stoppen wir jeden Tag zumindest einmal an einem Flussufer, um uns ins erfrischende Nass zu werfen – das kann echt was!

Am 4ten Tag ist dann der finale Aufstieg zur verlorenen Stadt angesagt. Es geht vom letzten Camp noch einmal 40 Minuten den Fluss entlang bevor wir über zig Stufen durch den Dschungel den Hügel erklimmen, um erleichtert am Ziel anzukommen. Die Stadt liegt weit oben im Dschungel und es eröffnet sich ein traumhafter Blick während gerade die Morgensonne über den Bergkamm lugt und Strahl für Strahl langsam das gesamte Tal in Licht tunkt. Nachdem wir eine Stunde lang in Indiana Jones Manier (Martin und Sebastian „Indy“, sowie Eugénie als blonde, kreischende Begleiterin) die Stadt erforschen geht es wieder zurück. Unser Guide erzählt uns dabei noch so einiges über die Geschichte der Indigenos und der Cuidad Perdida.

Am selben Tag erreichen wir noch das in der Mitte gelegen Camp und ruhen uns aus, denn am nächsten Tag kommt es nochmal dick! Der 5te und letzte Tag hat es nämlich mit 2 harten Steigungen, eine davon in der prallen Sonne, in sich. Als wir endlich den letzten Bergkamm entlang schlendern und uns siegessicher wähnen, erwischt es mich doch beinahe noch bei einem wagemutigen Lauf- und Sprungmanöver auf dem Sandweg bei dem ich mir wohl links und rechts ein Band dehne, aber mit viel Glück nicht reisse. Zumindest Martin konnte beim Anblick meiner Kasperlmotorik laut auflachen, was mich wie immer sehr erfreut :). Also wieder mal Glück gehabt! Nach einem abschliessenden Bad im Fluss und frischem Fisch zum Mittagessen geht es im Jeep zurück nach Santa Marta. Die anfangs knochenharte Fahrt auf der zerfurchten Erdstraße ist nur mehr ein Detail zum drüberstreuen nach fünf intensiven, auslaugenden aber unglaublich tollen Tagen im Dschungel Kolumbiens! Zwei Tage später, nachdem wir all unsere, nennen wir es einfach „geruchsintensive“, Kleidung gewaschen haben führt uns die nächste Etappe zum zweitgrößten Karneval Südamerikas nach Barranquilla. Seid gespannt wie wir den Tag dort verbringen und wie es danach weiter geht!

 

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