<!–:de–>Indien Trilogie – Teil 3<!–:–><!–:en–>India trilogy – part 3<!–:–><!–:fr–>India 3 (Résumé)<!–:–><!–:es–>India 3 (Resumen)<!–:–>
Sebastian: Da fahren wir also wieder dahin, übermüdet nach einer frostigen Nacht. Unser nächstes Ziel ist mit Manali recht weit entfernt, vor allem da am Weg dorthin noch der Rotang Pass zu überqueren ist – und dieser gilt als einer, wenn nicht DER schwierigste Pass in dieser Gegend. Unsere Fahrt führt uns sogleich in ein wunderschönes Tal und dann über einige Pässe mit sehr engen Straßen durch die Berge. Wie so oft ist die Aussicht teilweise zum „alle 10 Finger lecken“ und auch trotz der Highlights der letzten Tage bekommen wir davon nicht genug und genießen jeden Meter der Fahrt.
Richtung Manali,… oder auch nicht
Die Herausforderung dieses Abschnitts besteht wie schon angesprochen darin, mit einer einzigen Tankfüllung an die 400 km weit zu kommen, weshalb wir die Abwärtsstrecken weiterhin nur im Leerlauf (ich mit abgestelltem Motor) bewältigen. Die Fahrt hat dadurch etwas Beruhigendes, was auch notwendig ist um die Sorge bezüglich des Sprits ein wenig auszugleichen 🙂
Je weiter wir fahren, desto mehr wird mir auch bewusst wie wunderschön ruhig die letzten Wochen waren, die wir in nur sehr dünn besiedelten Gegenden verbrachten. Kaum Städte, Dörfer, Verkehr… wie angenehm das ist, merkt man erst wenn man wieder unter die Leute kommt. Unter die Leute kommen heißt aber auch, dass eine Tankstelle nicht weit sein kann und so fragen wir ungeduldig nach der Ortschaft wo ebendiese zu finden ist. Als wir endlich ankommen sind wir nicht schlecht verblüfft als wir feststellen, dass Martins Tank mit noch gut 4 und meiner sogar mit rund 5 Liter gefüllt sind… der ganze Stress also umsonst, aber besser so als andersrum.
An diesem Tag erreichen wir Manali nicht mehr – als es dunkel wird machen wir in Koxar, eine halbe Stunde vor dem berüchtigten Rotang Pass halt. Auf dem Parkplatz vor unserem Hotel stehen schon gut 10 Enfields und es dauert nicht lange bis die ersten Biker auftauchen. Es handelt sich um eine Gruppe indischer Arbeitskollegen die von ihrem Unternehmen eine Woche Motorradfahren in Kashmir gesponsort bekommen haben. Kurz darauf sitzen wir auch schon gemeinsam beim Abendessen und unterhalten uns vergnügt über die wunderschönen Strecken die wir alle hinter uns haben. Martin kommt dabei mit den Chef der Bande ins Gespräch und erfährt von eben diesem, dass wir dem Rotang Pass aus dem Weg gehen können indem wir eine Schleife über das sogenannte Spiti Valley fahren. Lustigerweise handelte es sich dabei um genau die Strecke, die uns schon vorher von einem deutschen Motorradfahrer empfohlen wurde, die wir allerdings auf der Karte nicht zu finden vermochten. Wir überlegen nicht lange und ändern unsere Route in letzter Sekunden im Glauben uns eine harte Fahrt zu ersparen – aber weit gefehlt…
Das Knochenbrecher-Spiti Valley
Am nächsten Tag geht es nun also los. Nach kurzer Fahrt ist es die erste Abzweigung rechts und die führt uns sofort auf eine Schotter-/Erdpiste. Irgendwie hab ich da im Moment ned wirklich Bock drauf, aber gut – sie fängt recht soft an und ich hoffe, dass sie auch so bleibt. Nach ein paar km dann die ersten Wasserdurchfahrten, die immer heftiger werden. Sei“s drum, das mag ich eigentlich eh recht gern :). Ein paar Kilometern später fällt mir dann die Maschine in einer „schrägen Kurve“ (also eine Kurve auf einer Schräge) um und ich mit einer fasst perfekten Judorolle von ihr. Ich muss in diesem Moment kurz fluchen, aber Martin ist sofort bei mir und wir stellen die gnä“ Frau wieder auf ihre Hufe. Der Tag fängt also ein wenig umständlich an aber wir haben noch keine Ahnung, dass die richtig harte Arbeit noch vor uns liegt…
Wir fahren nun also so dahin und die Straße wandelt sich von Schotter/Erde zu einer groben Steinstrecke die keine Ende zu nehmen scheint. Statt Spiti Valley könnte man dieses Tal ruhig „Stiftung Warentest für Motorräder“ Valley nennen (wobei, vielleicht ist das ja die exakte Übersetzung für Spiti?). Unzählige Male blicke ich während der Fahrt besorgt nach vorne zu meinem Vorderrad aus Angst mir einen Platten eingefangen zu haben. Den Gedanken, dass die Gabel oder ein Lager gar den Geist aufgibt unterdrücke ich gleich sicherheitshalber – denn was ich nicht denke kann nicht passieren, oder so… Der heutige Streckenabschnitt ist mit rund 150km zwar ziemlich kurz aber die Fahrt dauert ewig. Ich empfinde sie als eine einzige Materialprüfung für Mensch und Maschine und kann langsam auch verstehen, weshalb bei einem Motorrad der Rahmen brechen kann (was Gott sei Dank bei uns bisher nicht der Fall ist!). Dennoch bin ich auch dieses mal wieder von der Natur rund um uns begeistert. Wir fahren durch Täler, über Pässe, kleinen Hochebenen … und alles für sich ist wunderschön.
Die letzten rund 20 km dieser Etappe werden wir dann allerdings mit einer traumhaften Asphaltstrecke be- und somit für die Strapazen reichlich entlohnt. Es ist ein Genuss, auf meiner kleinen „Escargot“ beschwingt durch die Gegend zu gleiten eine Kurve nach der anderen zu jagen. Hinter mir verfällt Martin genau so der Kurvenhatz und glücklich kommen wir dann am frühen Abend in Kazaa an. Hier müssen wir lediglich eine Permit für die Weiterfahrt besorgen.
Tabo
Der nächste Zwischenstop ist in Tabo. Die Fahrt hierher ist schon weniger beschwerlich aber vielleicht ist das auch nur ein Eindruck, da sie recht kurz ist :). In Tabo befindet sich ein buddhistisches Kloster aus dem Jahre 996 n.Ch. Wir nächtigen im moderneren Zubau des Klosters und bleiben hier 2 Tage. Bei einem kühlen Bier lernen wir dann noch ein sehr nettes schweizer Paar, eine Israelitin und einen Kanadier kennen mit denen wir das erste Mal seit längerem einen richtig netten Abend verbringen und viel lachen. Ja, ja – der Mensch ist ein Gesellschaftstier! Das mussten wir hier (dankend) zur Kenntnis nehmen und gleich nen Schluck darauf trinken :D.
Der vergessene Pass: „Klappe, die Zweite!“
Während wir dann weiter nach Nako fahren erlebe ich ein Déjà-vu der unangenehmeren Art. Als wir am Militärposten unsere Permits vorzeigen sollen, greife ich in mein kleines Bauchtäschlein, wo ich die Permit auch sofort finde, allerdings meinen Pass nicht mehr!!! „Nicht schon wieder !!!“denke ich mir und vor allem kann ich nicht sofort nachvollziehen wo ich ihn vergessen haben könnte :(. Ich überlege also wann ich ihn das letzte mal in Händen hielt und mir fällt nur der Copy Shop in Kazaa ein, wo ich die Kopie für die Permit gemacht habe. Da mich dort eine Kundin angesprochen hat, hab ich scheinbar (ja, das kann ich gut) im Gespräch kurzerhand auf den Pass vergessen und dort liegen lassen. Jetzt heisst es, diese Theorie zu bestätigen und insgesamt 150 km auf einer herausfordernden Strecke abzuspulen, um den Pass zu holen und wieder zurück zu kommen. Martin fährt unterdessen weiter und wartet in der nächsten Ortschaft auf mich.
Die Fahrt wird eine dieser „Unvergesslichen“. Mit viel Wut über mich selbst im Bauch und dem Drang schnell zu sein, fliege ich regelrecht über die Strecke, nicht ohne das eine oder andere Schlagloch mitzunehmen oder mich nur mit Mühe auf der Piste zu halten, wenn ich Kurven erst zu spät als solche erkenne. Doch der Groll ist zu groß und wie in Trance gebe ich Gas Gas Gas. Interessanterweise fährt man in so einem Zustand (meiner Meinung nach) ausgezeichnet und mit höchster Konzentration und als ich schließlich zurück in Kazaa bin fühle ich mich sauwohl – aber erst als ich endlich wieder meinen Pass in Händen halte, der hinter dem Verkäufer in einem Regal schon auf mich wartete :). Ich glaube ihr könnt Euch vorstellen wie meine Herz herumgehopst ist, als ich in den Laden gekommen bin und nur GEHOFFT habe, dass ich den Pass hier liegen hab lassen! Na gut – Problem erkannt, Problem gebannt geht es wieder Richtung Osten, wo Martin mich schon erwartet, nachdem er wie üblich mit Gott und der Welt ins Gespräch gekommen ist :). An diesem Tag führt uns die Fahrt noch bis nach Nako, wo wir in einem zwar unspektakulärem Hotel allerdings mit Traumblick unterkommen und ich die Anspannung des Tages abfallen lasse.
Zurück in der Zivilisation 🙁
Nachdem wir uns der Zivilisation durch die Schleife über das Spiti Valley wieder beinahe komplett entzogen hatten (bis auf die Dörfer gab es kaum Leute, wenig Verkehr, dafür umso schönere Landschaft), trifft es mich doppelt hart als wir am folgenden Tag in Richtung Rishikesh aufbrechen. Die Fahrt zieht sich ewig auf einer einzigen Staubstraße (ich hasssssse Staub – das weiß ich jetzt!). Dieser, viel Verkehr und wiederholte Straßensperren vergällen mir das Fahrvergnügen gewaltig – ich bin nach vielen Kilometern auf Offroad- oder Schlaglochpisten eindeutig reif für „an gscheidn Asphoit“. Nach ein paar Stunden bekomme ich diesen dann auch und der Genuss hält wieder Einzug wahrend wir eine Traumstrecke durch eine dicht bewaldete Gegend befahren. Nach einer weiteren Tagesreise kommen wir dann endlich in Rishikesh an, einem heiligen Ort für Hindus. Alkohol, Fleisch und Plastiksackerl sind hier verboten – mal was anderes :).
In unserem Hotel lernen wir dann nochMaja, eine in England lebende Polin und Alvaro, einen Burschen aus Spanien, kennen, mit denen wir die nächsten 2 Tage verbringen und dabei eine kleine Wanderung zu einem Wasserfall machen (wo wir uns natürlich ins kühle Nass stürzen!). Als wir zurückkommen sehen wir, dass der junge Kerl, der das Hotel managed unsere Bikes blitz blank geputzt hat!!! Er wollte ganz einfach, dass sie vor seinem Hotel fein aussehen und wir finden das natürlich auch spitze :D.
Ab Richtung Nepal
Nach gut einem Monat in Indien brechen wir dann von Rishikesh aus Richtung Nepal auf, in das wir von Westen her einreisen wollen. Eigentlich planen wir die verbleibende Strecke an einem Tag hinter uns zu bringen, dafür hätte mir allerdings der platte Reifen kurz nach der Abfahrt erspart bleiben müssen. Wie schon beim ersten Platten am ersten Tag in Indien, erwischt es mich auch diesmal wieder auf einer wunderbaren, schlaglochfreien Straße… ich versteh die Welt nicht mehr… Ich beschließe unserem Flickzeug (Gaspatrone und Kautschuk) eine Chance zu geben, allerdings versagt dieses wiederholt. Wieder danke ich dem Herrn, dass es in dieser Gegend fast alle 3 Kilometer einen kleinen Holzstand mit einem meiner geliebten indischen Reifenflicker darin gibt, der nur darauf wartet, dass ich bei ihm vorbeischaue! So ist es auch dieses Mal und nach einer knappen halben Stunde bringe ich (auf Martins Motorrad) den Reifen zurück und montiere ihn flux (das geht jetzt schon recht schnell 🙂 ).
Durch diese Panne verzögert kommen wir an diesem Tag nicht so weit wie erhofft. In der Nacht erwischt uns nochmal so eine verfluchte Schlagschlochstaubpiste – das erste mal vergeht mir echt die Lust und ich bin saumässig angespannt. In all meiner Unzufriedenheit fällt mir dann natürlich wieder mal die Maschine um, vor so einem Nobelschuppen den wir uns nicht leisten können oder wollen. Schlussendlich übernachten wir in einem günstigen Hotel, vor dem Martin noch mit einer 1000 Schar an Menschen zurechtkommen muss während ich kurz nach dem Zimmer sehe. Als ich zurück komme sehe ich mein Motorrad kaum, so viele Leute stehen rund herum. Aber auf ein Neues sind alle Menschen einfach nett, respektvoll und lächeln uns an.
Am nächsten Tag wollen wir nun aber schaffen, bis nach Nepal – Juhuuu! Aber schon wieder kommt uns was dazwischen. Erstens fahren wir zu spät los (auch nicht das erste Mal) und zweitens bleiben wir in einer Stadt hängen in der doch glatt eine Ausgangssperre verhängt wurde. Scheinbar kam zu diesem Zeitpunkt zu Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems(… traurig aber wahr) und wir haben Glück ein Hotel zu finden. Als wir in der Früh auschecken muhtet das Straßenbild etwas seltsam an. Die Straße ist wie leergefegt, alle Geschäfte zugesperrt und jede Menge Leute sitzen auf online casino den Dächern, um zu beobachten was passiert – nämlich genau nichts, es ist ja alles leer :).
Wir packen also wieder einmal zusammen und lassen uns davon überraschen was denn die Polizei sagen wird, wenn wir unterwegs sind. Im Endeffekt gar nichts. Wir sagen nur, dass wir Richtung Grenze wollen und alles ist in Ordnung. Am Weg dorthin verfahren wir uns einmal kurz und genau dieser Umweg ein von Schlaglöchern übersähter… großartig! In diesem Moment fluchen wir beide still in uns hinein und warten auf „bessere Zeiten“. Nach diesen ungewollten Zusatzkilometern (davon hatten wir bis dahin so gut wie keine) geht es nun endlich tatsächlich bis zur Grenze und wie an allen vorherigen Grenzübergängen stellt auch dieser kein Problem dar. Nach den üblichen Formalitäten und einem Lächeln der Grenzbeamten lassen wir nun Indien hinter uns, um Nepal zu erobern. Indien, das uns einfach unglaubliche Momente beschert hat und Nepal, von dem wir Ähnliches erhoffen! BERGE BERGE BERGE!!! Ich kann es kaum mehr erwarten!!!