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Martin: Sobald wir den iranischen Grenzschranken überschritten haben sind wir mit einer neuen Welt konfrontiert. Mit der Grenzlinie endet der Asphalt, die Grenzstation wirkt wie eine Ansammlung von Betonbaracken mitten in der Wüste, wir sind sofort von Geldwechslern umringt und vor mir steht ein bärtiger Mann in blauem Pyjama mit irgendwelchen Abzeichen darauf, reicht mir zur Begrüßung die Hand und erklärt uns wo wir überall hin müssen. Einmal schnell herum geschaut tragen hier anscheinend alle Pyjamas. Welcome to Pakistan 🙂
Die Grenze – erste Bikeprobleme
Die Passformalitäten sind im Nu erledigt und wir fahren weiter zum nächsten Posten, wo wir unsere Pässe in ein Buch eintragen müssen. Außer Bastl, weil seine Maschine springt nicht an. Die Nervosität steigt, muss es gerade hier passieren?? Fabian checkt die Batterie und nach einem “Welches Arschloch hat DAS Kabel da eingebaut?” und einem verlegenen Grinser Sebastians ist Fabian klar, dass das von Sebastian verlegte und irgendwann durchgeschmorte GPS Ladekabel Schuld an der Batterieentladung hat. Wir fixieren ein Seil zwischen Escargot und Eva-Dos und ich presche langsam los, bis Bastl einen Gang einlegt und der Motor anspringt als wäre nichts gewesen. Wir alle atmen erleichtert durch. Ich doppelt, habe ich doch noch nie mit dem Motorrad wen abgeschleppt 🙂
Es geht weiter zur einer Polizeistation, die 1:1 aus einem Mad Max Film stammen könnte. Eine mit Stacheldraht umzäunte Vierkantbetonbaracke mit einem “Hof”, überall, sogar auf den Flachdächern stehen kaputte Autos. Irre 🙂 Wir werden zum nächsten Posten geschickt, wo wir die Carnets stempeln lassen und hier kommt auf einmal jemand auf einem Motorrad und sagt, dass er uns zur Eskorte bringt. Etwas verunsichert folgen wir ihm bis zu einer Kreuzung mitten in der Wüste. Er spricht nicht Englisch und weißt uns weiter an, ihm zu folgen. Uns ist das Ganze nicht geheuer und wir beschließen umzudrehen und zur Polizeistation zu fahren. Am Weg kommt uns ein Polizeiauto entgegen, das der verzweifelte Mopedfahrer angerufen hat. Falscher Alarm.
Wir werden von einer Eskorte zur anderen gereicht und bei jeder “Übergabe” tragen wir unsere Passdaten in ein Buch ein. Überall werden wir mit einem Handshake und einem Lächeln begrüßt. Sehr gefährlich scheint dieser größtenteils kerzengerade Streckenabschnitt durch die Wüste nicht zu sein, da die Eskorte oft außer Sichtweite hinter uns fährt. Am Abend erreichen wir Dalbandin, wo wir in ein Hotel gebracht werden, von dem es heißt, dass man aufgrund des Gestanks besser am Dach schlafen sollte. Stinken tut es nicht, dafür ist es unbeschreiblich heiß und neben uns gesellen sich noch der Hotelmanager und zwei mit Maschinengewehren bewaffnete Polizisten mit aufs Dach.
Bis jetzt läuft alles bestens, wir genießen die lauwarme Brise und unterhalten uns mit dem Hotelmanager… der uns partout Fotos von den zwei Schweizern zeigt, die ebenfalls bei ihm genächtigt haben und welche im August entführt wurden. Wir sehen Fotos auf denen sie lachen, ihr Gesichtsausdruck ist unbeschwert und glücklich. Nachdenklich gehen wir schlafen.
Am nächsten Tag gehts Richtung Quetta, der Hauptstadt Baluchistans. Zuerst fahren wir durch ein erwachendes, chaotisches Dalbandin, dann durch eine irrsinnig abwechslungsreiche, traumhafte Wüstenlandschaft entlang einer schwarzsteinigen Gebirgskette und durch kleine malerische Dörfer mit Lehmhütten. Am liebsten würde ich alle 5 Minuten stehen bleiben um Fotos zu schießen.
Bei einer Eskortübergabe entpuppt sich ein Soldat als Rapper und legt mit umgehängter MG einen 2-minuten Rap für uns hin, dass wir aus dem Staunen und Lachen nicht herauskommen.
Wenn schon denn schon…
Vor Quetta fängt dann die nächste Maschine an zu spinnen. Janine ist bei der Fahrt durch eine Schotterpiste ein Stein gegen den Motor geknallt und verliert Öl, aber zum Glück hält es sich in Grenzen und sie kann weiter fahren. Gerade noch stolz, dass Eva Dos alles wunderbar mitmacht, merke ich ein paar Kilometer vor Quetta, dass der Motor immer wieder ins Stocken kommt, bis er abstirbt. Ich starte an und einige hundert Meter geht sie wieder, bis das Ganze von vorne beginnt. Da die Probleme angefangen haben, als wir Benzin aus dem Reservekanister in meinen rechten Tank geleert haben, schließen wir ihn einfach und siehe da, sie läuft wieder! Ich habe mich immer gefragt, warum die KTM zwei Tanks hat… jetzt weiß ich“s 🙂 Ich atme tief durch und hoffe inständig, dass sie mich nicht gerade hier im Stich lässt. Es ist schon irre, da fahren wir ohne Probleme über 13.000 Kilometer und gerade in dem Land, vor dem wir alle den größten Respekt haben und wo wir eigentlich so schnell wie möglich durch wollen, fangen 3 von 4 Maschinen an zu spinnen 🙂
Da uns nicht empfohlen wird nach Quetta rein zufahren um Geld zu wechseln und zu tanken, beschließen wir in den Süden nach Sibbi zu fahren und dort zu übernachten. Wir fahren direkt neben den abgebrannten NATO Tanklastern vorbei, die einige Tage zuvor angegriffen wurden und wo von 18 Lastern gerade einmal drei den Angriff überstanden haben. Kurz danach teilt uns die Eskorte mit, dass ihr Gebiet hier endet und dass wir ab jetzt ohne weiterfahren. Uns allen ist ein wenig mulmig zumute, doch wir schöpfen Hoffnung, als ein Militärjeep vorbeifährt. Es ist bereits 6 am Abend, um 7 wird es hier dunkel und wir haben noch 150 Kilometer vor uns. Sebastian klärt mit einem Soldaten ab, dass wir mit ihnen fahren dürfen. Wir sind heilfroh, vor allem als er auf einen Militärposten auf einem Hügel zeigt und uns wissen lässt, dass der Streckenabschnitt bis nach Sibbi, da er durchs Gebirge führt, alles andere als sicher ist.
Vollgas in die Nacht
Diese Fahrt wird, da überlebt, die Fahrt meines Lebens. Vor uns ein schwarzer Mitsubishi Pajero mit verdunkelten Scheiben voller bewaffneter Soldaten, hinter uns ein offener Jeep mit Bord-MG und bewaffneten Soldaten und dazwischen wir. Es geht im zickzack in einem irren Tempo an allem vorbei was auf der kurvigen Straße ist, die obendrein mit Schlaglöchern übersäht ist. Wir kommen uns vor wie irgendwelche VIPs in einem Hollywood Film, die von den Securities in Sicherheit gebracht werden und sind uns nicht sicher, ob der Typ wie ein Wahnsinniger fährt, weil es ihm Spaß macht, oder weil es besser ist, hier so schnell wie möglich zu verschwinden. In der Mitte des Weges machen wir auf einmal halt bei einem Militärposten und in aller Ruhe wird uns Tee und sogar eine Melone angeboten. Anscheinend Tea Time, DIE Zeit muss man sich nehmen 🙂
Die Fahrt geht genauso weiter wie zuvor, nur dass es diesmal stockdunkel ist. Mein Adrenalin läuft auf Hochtouren, nicht nur, dass ich die extrem kurvige Strecke nicht mal bei Tag in so einem Tempo gefahren wäre, bin ich auch noch nachtblind und meine einzige Orientierung ist Sebastians Rücklicht. Meine Maschine macht einiges mit, nicht nur einmal fahre ich ungebremst in ein Schlagloch, dass es die Gabel durchschlägt. Von Stocken und Motorabsterben keine Spur mehr.
Je näher wir Sibbi kommen umso mehr nimmt die Luftfeuchtigkeit zu. Von der Strecke sehen wir nicht viel, außer dass wir durch ein Tal durchfahren, wo links und rechts steile Felsen hochragen. Bei Tag muss die Strecke traumhaft sein! Kurz vor Sibbi sehen wir dann noch einen Sturm aufkommen, im Dunkel der Nacht erhellen für kurze Zeit massig Blitze unsere Umgebung, aber zum Glück fängt es nicht an zu regnen. In Sibbi werden wir zuerst mit in die Kaserne genommen, aber da sie keine Gästezimmer haben, enden wir in einer Polizeistation… und die hats in sich.
Das Sibbi Police Department
Nachdem unsere Personalien aufgenommen werden, dürfen wir, da es anfängt zu regnen, die Bikes IN der Polizeistation parken. Wir sehen uns um und eins ist klar: jedem Gewerkschafter würde es bei diesen Arbeitsbedingungen aus den Socken hauen. Überall Dreck, Kakerlaken kriechen am Boden herum, es gibt anscheinend seit Tagen kein Wasser, die Toiletten sind vollgeschissen und der Geruch ist im gesamten Gebäude bereits so beißend, dass es mich reckt, als ich am Klo vorbeigehe. Es ist erdrückend heiß, aber da es regnet, können wir nicht im Hof übernachten, wo die Luft und der Gestank halbwegs erträglich sind. Also beschließen wir uns im Ruhezimmer der Polizisten einzunisten, dem einzigen Zimmer mit Ventilator. Die Polizisten sind irrsinnig freundlich und gehen sogar für uns Getränke einkaufen, da wir nicht alleine auf die Straße sollen. Trotzdem ist die Stimmung für mich beinahe unerträglich, als ich Schreie von Leuten höre, die im Nebenzimmer anscheinend bei einem Verhör verprügelt werden.
Am nächsten Tag gehts weiter Richtung Süden über den Indus Fluss. Ab hier gilt das Gebiet als sicher. Wir kommen flott voran, die Landschaft ist wunderschön, wir sehen viele Wasserbüffel, fahren durch kleine Dörfer, die aufgrund der starken Regenfälle teilweise komplett unter Wasser stehen. Wir kommen auch an Zeltstädten vorbei, die nach den verheerenden Überschwemmungen errichtet wurden und noch immer dastehen. Die Armut die wir sehen ist unbeschreiblich, noch tragischer ist es, dass den Menschen, die alles hinter sich gelassen haben und jetzt in einfachen Zelten leben müssen, dass Wasser auch hier bis zu den Knien steht. Trotzdem lächeln uns alle zu und grüßen und winken uns, wenn wir vorbeifahren. Ich bewundere ihre Stärke und Lebenszugang.
Am Nachmittag fahren wir direkt in ein starkes Unwetter, wo sich uns eine Wolkenkonstellation offenbart, wie ich sie noch nie gesehen habe. Zwei massive, pechschwarze kilometerlange Wolkenschichten, die durch einen hell erleuchteten Spalt getrennt sind. Es regnet in Strömen und nachdem wir einen Polizisten in Roshan Bait nach einer Unterkunft fragen, bringt er uns in ein Hotel, wo wir von einer Gruppe Grundbesitzer, die sich dort getroffen haben, sehr freundlich empfangen werden. Es wird kurzerhand ein schmackhaftes Abendessen improvisiert, welches sie von ihren Familien zu Hause abholen. Zu unserer Sicherheit kommen auch gleich zwei Securities mit Pump Guns 🙂
Hier lernen wir einen Lehrer aus Karachi kennen, der derzeit hier in seinem Heimatort eine Weiterbildungs-NGO mit Gratis Englischkursen aufbaut. Er erzählt uns viel über Pakistan und wie die Pakistanis die Situation in ihrem eigenen Land sehen. Wir lernen, dass Pakistan eigentlich aus einer Vielzahl von Stämmen besteht, die alle ihre eigene Sprache, uralten Traditionen und Werte weiter pflegen. Jede Regierungsmaßnahme muss, sofern sie Erfolg haben will, vorher mit den Stammesführern abgesprochen und freigegeben werden. Wenn jemand von einem Stamm einen anderen Besuchen möchte, braucht er idealerweise dort jemanden, der ihn einlädt. Sobald man von einem Stamm “aufgenommen” wurde, garantiert dieser auch für die Sicherheit. Die zwei Securities mit den Pump Guns, wurden auch als Zeichen der Gastfreundschaft extra für uns gerufen. Sie wollen dass wir uns bei ihnen sicher fühlen.
Der größte der Stämme sind die Baluchis, ein Nomadenstamm, und dass ist auch der Stamm wo derzeit die größten Probleme bestehen. Der Hass auf westliche Länder ist durch die Bombenangriffe der NATO, bei denen viele Zivilisten umgebracht werden, immens hoch. Auch wenn (hoffentlich bald) zwischen den Ländern offiziell Frieden geschlossen wird, “Aug um Aug, Zahn um Zahn” ist tief verankert und was hier passiert, wird über Generationen nicht verziehen werden. Die meisten Pakistanis sehen diesen Krieg nicht als den ihren und unterstellen der Regierung sich von den Amerikanern gekauft haben zu lassen. Niemand versteht, warum es vor dem 11 September um vieles friedlicher war und just seit dem Anschlag in New York Sunniten und Schiiten anfangen in Pakistan gegenseitig Anschläge auszuüben. Es wird gerätselt ob diese Anschläge gar von den Amerikanern initiert werden, um die Stimmung gegeneinander aufzuheizen, um die Angriffe zu legitimieren und die Stämme Pakistans zu spalten.
Am nächsten Tag laden uns unsere neuen Freunde ein länger zu bleiben und uns die Umgebung zu zeigen. Das hätten wir sehr gerne gemacht, aber da wir zu viert sind und vereinbart haben zügig durch Pakistan zu fahren, lehnen wir dankend ab und fahren weiter bis nach Lahore, wo wir am Abend ankommen und von einem “Helfer”, der sich letztendlich als etwas mühsames Beiwagerl entpuppt, zu einem netten aber etwas teureren Hotel geführt werden.
Fabian und Janine verabschieden sich am nächsten Tag und wir bleiben länger, da wir hier noch das SOS Kinderdorf besuchen. Gemeinsam mit einigen Kindern und der Leiterin, Fr. Butt, erkunden wir auch Lahore, mit der wunderschönen Badshahi Moschee, übrigens eine der größten der Welt, und beeindruckende Bauwerke im Mughal Stil. Wir schauen uns auch ein tolles Restaurant an, welches von dem Sohn einer ehemaligen Prostituierten aus einem Bordell errichtet wurde und mit allerhand künstlerischen Details aus christlichen, muslimischen, hinduistischen und sikh Kulturen aufwartet.
Der Abschied vom Kinderdorf nach zwei wundervollen Tagen fällt uns schwer, zu sehr sind uns die Kids ans Herz gewachsen. Nach unzähligen Händeschütteln und Umarmungen gehts dann weiter zur Grenze, wo wir 3 Minuten nach halb 4 ankommen und uns mitgeteilt wird, dass sie geschlossen hat. Anfangs sind wir angefressen, aber wie üblich, hat alles auch seine guten Seiten, immerhin können wir so die unglaubliche Grenzschließungszeremonie zwischen der pakistanischen und indischen Grenze von der pakistanischen Seite aus beobachten. Noch dazu ist gerade heute der Tag der Verteidigung Pakistans, die Tribünen sind randvoll und die Stimmung ist wie in einem Fußballstadion. Die größten Hühnen, die die beiden Länder aufstellen können liefern sich hier eine theatralische Macho Performance, die auf der Welt glaube ich einzigartig ist. Das Spektakel ist choreographisch zwischen den Ländern derart gut abgestimmt, dass man gar nicht glauben kann, dass sie sich seit Jahrzehnten bekriegen.
Wir übernachten an der Grenze, am nächsten Tag sind wir die ersten am Schalter und nach einer Stunde gehts durch das Grenztor nach Indien… ob die Inder wohl auch so herzlich sind ?
Pakistan hat alles, was man sich als Tourist nur wünschen kann, Meer im Süden, einige der höchsten Berge der Welt im Norden, unglaubliche Wüstenlandschaften im Osten und Menschen, deren Freundlichkeit und Herzlichkeit – trotz größtenteils irrsinniger Armut – unter die Haut gehen. Der Besuch im Kinderdorf war ein krönender Abschluss und hat bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen, den ich so schnell nicht vergessen werde und wo ich mir viel für mein eigenes Leben mitnehme. Was wir hier erlebt und gelernt haben solltet ihr Euch nicht entgehen lassen! Den Besuchsbericht findet ihr hier: Bitte macht mit und unterstützt SOS Kinderdorf bei dem Bau eines neuen Kinderdorfes in Peru! Jeder Spendenbeitrag, egal ob groß oder klein, macht einen Unterschied. Uns tun ein paar Euro nicht weh, für die Kids ist es ihre Zukunft. Hier gehts zur Spendenseite!